Bernard Harcourt: „Freiheit muss aufgebaut werden“

La Croix L'Hebdo: Warum ist Freiheit für das amerikanische Ideal so zentral?
Bernard Harcourt: Sie ist zentral für das Ethos der Amerikanischen Revolution. In den Vereinigten Staaten basiert Freiheit auf der Idee der Unabhängigkeit von Tyrannei. In Frankreich hingegen verband die Revolution die Abschaffung der Monarchie mit dem Gedanken der Gleichheit und Solidarität, der „Brüderlichkeit“. Folglich hat Freiheit auf beiden Seiten des Atlantiks sehr unterschiedliche Ausprägungen und Rollen angenommen. In den Vereinigten Staaten ist sie ein nahezu absolutes, universelles Ideal, das allem anderen vorausgeht, wie der Satz „Gib mir Freiheit oder gib mir den Tod“ zeigt, der Patrick Henry, einem der Gründerväter des Landes, zugeschrieben wird. Es ist, als stünde sie an der Spitze der Wertehierarchie, isoliert von anderen Werten. Das erklärt, warum in den Vereinigten Staaten Individualismus und die Idee, frei von staatlicher Einmischung zu sein, schon immer stärker betont wurden. Anders als in Frankreich, wo die Skepsis gegenüber dem Staat geringer ist.
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